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Mit Hilfe ihrer Eltern können Babys das Ein- und Durchschlafen lernen.

Manche Eltern unternehmen die verrücktesten Dinge, um ihr Kind zum Schlafen zu bringen: im Auto spazieren fahren, den Staubsauger anstellen, auf dem Gymnastikball hüpfen ... Auch Andrea Streicher* kennt einige Geschichten von Eltern, die wegen permanenten Schlafmangels auf dem Zahnfleisch kriechen.

In diesem Artikel:

Gelassenheit, gepaart mit Kuscheleinheiten helfen meist

„Während der Schwangerschaft musste ich mir ständig anhören, die Zeit des Ausschlafens noch zu genießen“, erinnert sie sich. Nach der Geburt ihres ersten Kindes Jonas vor fünf Monaten schwebte die 35-jährige auf Wolke sieben. Trotzdem hegte auch sie einige Befürchtungen, was nachts auf die frischgebackene Familie wohl zukommen würde.

Durchschlafen

Mit drei bis vier Monaten schaffen das 36 % der Säuglinge, von den Einjährigen gerade mal die Hälfte. Das ergab eine Umfrage unter 500 Müttern im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen.

Und jetzt? „Ich habe es mir ehrlich gesagt viel schlimmer vorgestellt, weil ich von Müttern hörte, dass sie anfangs manchmal sogar stündlich vom Baby geweckt wurden. Das war bei uns aber bis auf wenige Tage in Schubphasen nie der Fall. Momentan wird mein Sohn einmal in der Nacht wach, was völlig akzeptabel ist.“ Ein Problem stellt eher das Einschlafen am Abend dar. „Es kann manchmal bis zu einer Stunde dauern, bis er endlich die Augen zumacht. Ja, das kann anstrengend sein … Aber ich denke, dass die Natur der Frau die Fähigkeit gegeben hat, das Ganze mit der nötigen Geduld zu bewältigen.“

Gelassenheit, gepaart mit Kuscheleinheiten, ist das Zauberwort – auch wenn es unter akutem Schlafmangel zugegebenermaßen nicht immer einfach ist, ruhig und entspannt zu bleiben. Umso wichtiger ist es, sich bewusst zu machen, dass das Baby rein gar nichts dafür kann. „Schlaf ist lebensnotwendig, Babys und Kinder wachsen im Schlaf, das Hirn macht eine Art ‚Reset‘ und Gelerntes wird gefestigt. Aber das Schlafbedürfnis ist individuell“, weiß Andrea Vierlinger, die seit 25 Jahren als Hebamme in Wiesbaden tätig ist. Wichtig sei, sagt sie, sich von starren Ideen und Vorgaben zu befreien.

Babys müssen lernen zu schlafen

„Meistens sind keine Schlafstörungen vorhanden, sondern es sind unsere eigenen, nicht zu realisierenden Wunschvorstellungen, wie Babys zu schlafen haben. Dabei haben Babys andere Schlaffenster und Schlafmuster als Erwachsene. Wenn wir unseren Nachtschlaf antreten, haben Babys ihren Tiefschlaf schon fast hinter sich.“ Säuglinge müssen in den ersten drei Lebensmonaten nämlich erst einen Schlaf-Wach-Rhythmus lernen. Grundsätzlich rät Andrea Vierlinger zu viel Nähe. „Beistellbetten sind eine sehr gute Lösung, da sie direkte Nähe bieten, ohne dass man selber schlecht schläft vor Angst, sich auf das Baby zu legen. Babys dürfen aber auch gerne ins Elternbett, allerdings sollten sie nicht in der Bettmitte, sondern nur neben der Mutter liegen. Hier muss natürlich gesichert sein, dass es nicht aus dem Bett fallen kann.“

Jonas schläft seit kurzer Zeit in seinem eigenen Bett im Kinderzimmer ein. „Wenn er nachts aufwacht, nehme ich ihn aber manchmal zu mir ins Bett. Wir hatten die ganze Zeit ein Beistellbett in unserem Schlafzimmer, inzwischen robbt er sich da raus“, erzählt Andrea Streicher. Sabrina Fulp ist Mutter einer kleinen Tochter, außerdem hat sie noch einen dreijährigen Sohn. Das Thema Schlaf schlaucht die 34-Jährige derzeit besonders. „Anfangs schlief die Kleine sehr gut, jetzt kommt sie teilweise alle zwei Stunden. Am meisten belastet mich aber, dass beide Kinder nicht zur gleichen Zeit schlafen. Fast immer ist einer wach.“ Um trotzdem das Maximum an Schlaf zu bekommen, haben sie und ihr Mann sich für ein Familienbett entschieden. „Es ist gemütlich für alle und gerade das Stillen geht so am einfachsten.“

Über Schlafmangel reden

Simone Heintz rät dazu, kein Tabu aus dem Thema Schlafmangel zu machen, sondern es offen anzusprechen. Sie arbeitet als Familienberaterin und gibt Seminare zum Thema Babyschlaf. „Ich finde es immer wichtig, dass Eltern miteinander im Austausch sind. Fragen Sie andere Eltern, welche Ideen diese zum Beispiel in Bezug auf Einschlafrituale haben. Schläft Ihr Kind trotzdem nicht so, wie Sie es sich wünschen, scheuen Sie sich nicht, fachliche Unterstützung beim Kinderarzt oder in der Erziehungsberatungsstelle zu holen.“

Mehr zum sicheren Schlaf

bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
www.kindergesundheit-info.de/themen/schlafen

der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugenmedizin
www.dgkj.de/Sicherer_Schlaf_fuer_mein_Baby.pdf

und beim Europäischen Institut für Stillen und Laktation
www.stillen-institut.com/de/sicherer-babyschlaf.html

Außerdem informieren Flyer und Filme auf
www.schlaf-gut-baby.de

Andrea Streicher sieht die Sache gelassen: „Wir haben gemerkt, dass es etwas bringt, sich an Rituale zu halten. Also möglichst immer zur gleichen Zeit den Schlafanzug anziehen, wickeln und stillen. Dann singe ich Jonas „La-Le-Lu“ vor und gebe dem Mobile ein Schubs. Wichtig ist auch, dass währenddessen kein grelles Licht brennt und das Bespaßen durch Mama oder Papa zu diesem Zeitpunkt ein Ende hat.“ Damit liegt sie richtig, denn nicht selten werden kleine Schlafverweigerer schlicht zu vielen Reizen ausgesetzt, weiß Hebamme Andrea Vierlinger. „Und dann erkennen Eltern auch häufiger nicht die Feinzeichen, wenn ihre Kinder müde werden, so dass sie völlig überreizt sind.“

Worauf Eltern außerdem für gesunden Babyschlaf achten sollten? Andrea Vierlinger betont die Bedeutung einer schadstoffarm getesteten, atmungsaktiven Babymatratze. Nachts liegt das Kleine in einem Schlafsack auf dem Rücken, es dürfen sich weder Decken noch Kissen im Babybett befinden, die seine Atmung behindern könnten. Außerdem sollte die Heizung nie zu stark aufgedreht werden, damit es nicht zu überhitzten Räumen kommt. Und wer seinen Nachwuchs in der Nacht gern in seiner Nähe weiß, ist nicht übervorsichtig: „Das Baby schläft idealerweise mindestens das erste halbe Lebensjahr – und gerne auch länger im Elternschlafzimmer – sei es nun im Beistellbett, im eigenen Bettchen oder im Familienbett.“

(*Name von der Redaktion geändert)

Experteninterview - „Rituale erleichtern das Einschlafen“

Simone Heintz berät in ihrer Praxis in Gleichen Paare und Familien, außerdem hält sie bundesweit Vorträge zum Thema „Babyschlaf“. www.beratungpluspraevention.de

kidsgo: Wie schaffen Eltern günstige Voraussetzungen für einen guten Schlaf?

Simone Heintz: Da Babys auch das Schlafen erst lernen müssen, ist es hilfreich, von Anfang an einen regelmäßigen Tagesablauf zu haben. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass das Kind am Abend zur Ruhe kommt. Dabei erleichtern Rituale das Einschlafen, denn sie geben Sicherheit.

kidsgo: Wie merke ich, ob mein Kind genug schläft?

Simone Heintz: Ist es ausgeglichen, können Eltern davon ausgehen, dass es ihrem Kind gut geht und es somit auch ausreichend schläft. Ist es oft quengelig, könnte ein Grund dafür Schlafmangel sein. Auch Kinder, die abends sehr agil wirken, benötigen häufig Schlaf. Sie versuchen das Gefühl von Müdigkeit durch Aktivität zu überdecken.

kidsgo: Wann schlafen Babys durch?

Simone Heintz: Es wird Sie überraschen: gar nicht. Auch ein erwachsener Mensch schläft nicht durch. Im Verlauf einer Nacht kommt es immer wieder zu ganz kurzem Erwachen. In der Regel schläft der Mensch einfach wieder ein und bemerkt gar nicht, dass er wach war. Das ist auch bei den meisten Babys so. Bei Babys, die älter als sechs Monate sind, aber dennoch nicht wieder einschlafen, ist es wichtig, dass sie in diesen kurzen Aufwachphasen genau die Situation vorfinden, die sie beim Einschlafen hatten. Kinder haben ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis. Ist es an der Brust eingeschlafen, erwacht und stellt fest, dass die Brust weg ist, ist die Welt nicht in Ordnung. Das Gleiche geschieht, wenn der Schnuller weg ist oder Mama oder Papa nicht mehr neben ihm liegen. Für diese Kinder ist es wichtig zu lernen, alleine in ihrem Bett einzuschlafen. Erwacht es nachts und weint, gehen Sie hin und beruhigen Sie es, ohne es aus dem Bett zu nehmen.

kidsgo: Frau Heintz, vielen Dank für das Gespräch.

Einschlafrituale - Drei Eltern verraten ihre Tipps

Franco Scaramuzza (38), Vater von Eva (4 Jahre) und Aurelia (1 Jahr):

„Bei uns ist es die gute alte Gutenachtgeschichte, allerdings neu interpretiert: Ich mixe klassische Erzählungen, selbsterfundene Geschichten und umgewandelte Pop-Culture Filme. Neulich habe ich meiner Tochter „Star Wars“ als kindgerechte Rittergeschichte erzählt. Oder sie gibt mir ein paar Stichworte, die ich dann in eine Geschichte einbaue. All das gibt uns eine gewisse Routine, unterhält aber auch, so dass es nie langweilig wird.“

Sebnem Mercan, (39), Mutter von Ava (19 Monate alt):

„ Ava ist eine gute Schläferin. Allerdings liegt das vielleicht auch an meiner Einstellung, denn ich bewerte ihren Schlaf nicht. Es gibt eben gute und schlechte Nächte; ich nehme sie, wie sie kommen. Natürlich ist es grundsätzlich wichtig, dass sie in den Schlaf findet. Lange war hier Stillen das beste Mittel, das haben wir behutsam durch Kuscheln, Singen und Streicheln abgelöst. Funktioniert jeden Abend!“

Alexandra Böhm (30), Mutter von Justin (6), Dennis (3) und Marvin (1 1/2 Jahre):

„Marvin hat manchmal Probleme einzuschlafen: Seine zwei großen Brüder musste ich nur hinlegen, Spieluhr an – und fertig. Bei ihm dauert das alles etwas länger, und ohne Hörspiel geht es schon mal gar nicht. Aber das finde ich okay, es beruhigt und entspannt ihn. Selbst wenn er nachts mal aufwacht, lege ich ein Hörspiel ein. Weil er so gewohnt ist, klappt es dann meistens mit dem Weiterschlafen ziemlich schnell.“