Babymassage - Die Kraft der Berührung
Elsa strahlt. Fröhlich huscht ihr Blick zwischen ihrer Mutter Katharina und dem dösenden Baby neben sich hin und her. Sie gluckst leise. Dabei hat Elsa noch vor zehn Minuten so verzweifelt geschrien, als habe man ihren Kuschelhasen entführt. „Keine Ahnung, was los war“, rätselt Katharina. „Sie kann es ja noch nicht sagen. Ich schätze mal, eine Mischung aus müde und aufgeregt!“
Jetzt ist alles wieder gut. Hat das vielleicht mit dem Begrüßungslied zu tun? Oder mit den entspannten Gesichtern ringsum? Wohl eher damit, dass Katharina ihrer fünf Monate alten Tochter im Babymassage-Kurs gerade zart die Schultern krault. Dann streicht sie von den Schultern aus diagonal über Brust, Bauch und Bein Richtung Fuß. Das soll Verspannungen und emotionalen Stress lösen. Bei Elsa funktioniert es offenbar bestens – und das nicht nur im Kurs: „Wenn sie quengelig ist, probiere ich es auch zuhause aus – und meistens beruhigt es sie tatsächlich“, erzählt Katharina.
Babymassage - Anleitung in 3 Teilen

Babymassage Teil 3: Wie werden Babys Bauch und Babys Köpfchen massiert? Hebamme Claudia zeigt dir im dritten Teil unserer Videoanleitung die Grundlagen der Bauchmassage, wie du Bauchweh lindern kannst und was du beim Massieren von Babys Köpfchen beachten solltest.
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Massage wirkt Wunder
„Ich habe mich für den Kurs angemeldet, weil ich überall gelesen hatte, dass Babys die Massage genießen. Dass es keine Zaubertricks gibt, war mir klar. Doch oft kann ich Elsa jetzt mit einer Massage wirklich beruhigen. Man muss sein Kind eben kennen und ein bisschen Routine entwickeln.“ Das kann Hebamme Claudia Böhme nur bestätigen. „Es ist tatsächlich möglich, Situationen wie Bauchweh oder die Verarbeitung von vielen Tageseindrücken mit der Babymassage zu erleichtern. Das mindert Schreien und Schlafstörungen. Voraussetzung ist dabei aber eine gewisse Regelmäßigkeit – und dass man es über längere Zeit macht.“
Seit sieben Jahren bietet die Hebamme in Wiesbaden Babymassagekurse an. „Es ist für Mutter oder Vater und das Kind eine tolle Möglichkeit, lebendige Interaktion intensiv zu erleben. Stimulation, Lösungsprozesse und Entspannung sind weitere positive Effekte“, zählt Claudia Böhme auf. Sie selbst findet eine Massagetechnik im Gesicht besonders schön: Dabei streicht man oberhalb und unterhalb der Lippen von der Mundmitte nach oben oder unten aus. „Sie heißt ‚Lächeln auf Ober- und Unterlippe´, und die Kinder reagieren immer sehr erfreut darauf!“
Nicht einfach loskraulen
Zwar ist es generell möglich, dass Eltern auch ohne Kurs die Baby-Massage erfolgreich anwenden. Aber: „Eine ausführliche Vorbereitung durch entsprechende Literatur ist ein Muss, denn Babys reagieren auf Berührungen sensibler als ausgewachsene Menschen“, weiß Claudia Böhme. So sollte man zum Beispiel immer an Füßen oder Beinen beginnen. „Sie sind weniger empfindlich als der Rumpf, den das Baby instinktiv gegen ein Eindringen von außen schützt.“
Elsas Füßchen jedenfalls sind sehr empfindlich. Berührt man sie mit den Fingerspitzen, zieht sie sie immer gleich weg. „Ich glaube, sie ist kitzelig“, lacht ihre Mutter. „Das finde ich auch so schön bei der Babymassage: Man erfährt viel Neues über sein Kind. Was es mag, was es ablehnt. Es ist eine Art Kommunikation.“ Und nebenbei haben Mutter und Tochter in der Gruppe neue Freundinnen gefunden. Sie wollen sich auch nach dem Kurs weiter treffen.
Babymassage - Uraltes Wissen
Babymassage fördert die Entspannung und die Entwicklung des Empfindungsvermögens. Angewendet wird sie bei Säuglingen bis zu sechs Monaten und auch bei Kleinkindern. Babymassage ist keine Modeerscheinung – vielmehr eine Jahrtausende alte Lehre, deren Wurzeln im indischen Ayurveda liegen.
Der französische Geburtshelfer Fréderic Leboyer entdeckte dieses Wissen in den 1970er Jahren auf einer Indienreise neu und machte es in Europa populär. Babymassage kann (muss aber nicht!) etwa Blähungen vorbeugen, die Abwehrkräfte stärken, die Durchblutung der Muskeln und das Haarwachstum fördern.
Worauf Sie achten sollten
Es gibt zahlreiche Literatur zum Thema. Die Teilnahme an einem Kurs ist wegen der praxisnahen Anleitungen trotzdem empfehlenswert. Unbedingt darauf achten, dass die Leiterin für Babymassage zertifiziert ist oder als Hebamme zumindest seit mehreren Jahren Kurse durchführt! Die Kurse werden von manchen Krankenkassen bezuschusst, etwa durch Schnupper-Gutscheine. Einfach mal nachfragen!
Das passiert im Gehirn
Massiert wird mit Natur belassenen, parfümfreien Ölen, wie etwa Mandel-, Calendula- oder Jojoba-Öl, das in der Hand erwärmt wird. Die Massage weckt durch die Ausschüttung des Hormons Oxytocin Glücksgefühle und unterstützt so die emotionale Kommunikation zwischen Mutter und Kind. Für uns Menschen sind sanfte Berührungen so wichtig, dass wir eigens Nerven haben, die für Streicheleinheiten zuständig sind. Sie leiten die Berührungen ins Gehirn weiter und lösen dort die Ausschüttung der Glückshormone aus.
Experten-Interview - Die Beziehung vertieft sich
kidsgo: Welchen Nutzen hat Babymassage für die Mutter-Kind-Beziehung?
Evelin Herzog: Für ein Neugeborenes ist zunächst alles fremd: Schwerkraft, Weite, Gerüche, neue Geräusche. Die einzig vertraute Person ist seine Mutter. Es erlebt täglich Handlungen wie Waschen, An- und Ausziehen, die es nicht kennt und nicht mag und muss sie trotzdem über sich ergehen lassen, ohne dass man sie erklären kann.
Experten-Interview
Foto: Katja Langanke
Hebamme Evelin Herzog bietet als zertifizierte Babymassagekursleiterin seit zwölf Jahren indisch-schwedische Babymassage an.
kidsgo: Was bedeutet das?
Evelin Herzog: Bei der Massage spürt das Baby, dass die Mutter sich ihm in einer ruhigen Situation bewusst und liebevoll zuwendet. Mit ihren zarten Berührungen gibt sie Botschaften, die es verstehen kann, bevor es unsere Sprache kennt. Sie kann ihrem Kind ein Gefühl von Geborgenheit geben, sein Selbstbewusstsein stärken – und die Beziehung zueinander vertieft sich.
kidsgo: Was bringt Babymassage konkret?
Evelin Herzog: Massierte Kinder schlafen besser, weinen seltener, sind aufmerksamer und neugieriger. Die regelmäßige Verdauung wird stimuliert und Bauchweh gelindert.
kidsgo: Und auf lange Sicht?
Evelin Herzog: Eine Mutter, die regelmäßig massiert, fördert die motorische Entwicklung ihres Kindes. Da sich im Mutterleib das Nervensystem aus dem gleichen Keimblatt entwickelt wie die Haut, kann das Nervengerüst über Berührungen auf der Haut beeinflusst werden. Die Motorik reift schneller und die Muskelkoordination entwickelt sich besser. Die Körperwahrnehmung des Babys wird geschult, aus der eine gesunde Haltung entsteht. Und durch die frühen Massageerlebnisse entwickelt sich eine bessere Beziehungs- und Liebesfähigkeit.
kidsgo: Vielen Dank für Ihre Antworten!