Frühgeborene - Viel zu schnell ins Leben
Viel zu früh müssen sie die Geborgenheit in Mamas Bauch verlassen – noch gar nicht gerüstet für diese Welt. 60 000 Kinder werden in Deutschland jedes Jahr deutlich vor dem errechneten Geburtstermin geboren. Demnach ist etwa jedes zehnte Baby betroffen. Einige der Frühgeborenen sind nach 24 Schwangerschaftswochen noch so winzig, dass sie locker in die Handfläche eines Erwachsenen passen. Die gute Nachricht: Frühgeburten treten zwar heute genau so häufig auf wie früher, doch die Überlebenschancen von Frühgeborenen sind in den letzten zwei Jahrzehnten enorm gestiegen. Vor allem die sehr kleinen Babys mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm profitieren erheblich von den Möglichkeiten der modernen Medizin und deutlich besseren Behandlungsmethoden.
Frühgeburt erkennen
Eine Frühgeburt kann sich z. B. durch vorzeitige Wehen ankündigen oder durch ein vorzeitiges Platzen der Fruchtblase (Blasensprung). Auch Blutungen und plötzlich auftretende Bauch- oder Rückenschmerzen sollten auf jeden Fall sofort mit dem Arzt abgeklärt werden.
Von einer Frühgeburt spricht man dann, wenn das Kind vor der Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geboren wurde (37+0) oder bei der Geburt weniger als 2500 Gramm wiegt. Oberstes Ziel der Geburtshilfe ist es nach wie vor, die Schwangerschaft so weit wie möglich zu verlängern. Mit jeder Woche länger im Mutterleib steigt die Überlebenschance und sinkt das Risiko bleibender Schäden.
Mit einer Frühgeburt ab der 24. Schwangerschaftswoche hat ein Kind heute bei intensivmedizinischer Betreuung gute Chancen. Ab der 28. Woche liegen die Überlebenschancen bereits bei 95 Prozent.
Bange Zeit nach der Geburt
Das größte Problem gleich nach der Geburt eines zu früh geborenen Kindes ist zumeist die Atmung. Eine medikamentöse Beschleunigung der Lungenreifung kann in vielen Fällen einen Sauerstoffmangel mit seinen negativen Folgen für die Entwicklung des Kindes verhindern. Auch besteht bei einigen Frühgeborenen gleich nach der Geburt die Gefahr eines Atemstillstands („Apnoe“) oder einer Verlangsamung des Herzschlags. Weil die Blutgefäße noch sehr empfindlich sind und reißen können, besteht zudem das Risiko einer Hirnblutung. Die Neugeborenen werden auf Anzeichen solcher Komplikationen genau beobachtet.
Früh geborene Kinder sind anfälliger für Infekte als reif Geborene. Sie neigen auch eher zu Darmentzündungen, weil ihr unvollständig ausgebildeter Darm einigen Keimen noch nicht gewachsen ist. Oft ist eine Behandlung mit Antibiotika lebensnotwendig.
Känguruhen: Ganz nah an Mama und Papa
Die modernste medizinische Technik kann Liebe nicht ersetzen. Gerade die Frühgeborenen brauchen die Wärme und Nähe der Eltern. „Känguruhen" wird das Kuscheln von Frühgeborenen auf der Haut von Mama oder Papa genannt. Das hilft nicht nur den Winzlingen, sondern auch den meist verunsicherten Eltern, Kontakt zu ihrem zerbrechlichen Baby aufzunehmen. Wie ein Känguru im Beutel ruht das Kind an der Brust der Eltern, hört den beruhigenden Herzschlag und spürt die Wärme.
Mögliche Ursachen
Stress, Bluthochdruck und Infektionen der Mutter zählen zu den bekanntesten Risiken für das Ungeborene. Denn all das kann vorzeitige Wehen hervorrufen. Daher sollte die Schwangere seelische und körperliche Überanstrengung vermeiden. Ist die werdende Mutter berufstätig, darf sie bei der Arbeit keinesfalls zu schwer heben oder ruckartige Bewegungen ausführen. Denn dies kann dazu führen, dass sich die Plazenta vorzeitig ablöst und Blutungen auftreten, was ebenfalls eine Frühgeburt begünstigt. Weitere Gründe können eine zu große Menge Fruchtwasser, Mehrlingsschwangerschaften, Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum sowie extremes Über- oder Untergewicht der Schwangeren sein. Experten fanden heraus, dass Frauen, die unter Eisenmangel leiden, häufiger Frühgeburten haben.
Weitere Infos
Weitere Informationen und Hilfe finden Sie im Internet unter
www.kleineloewen.de
www.fruehstart-hamburg.de/kontakt.html
Eltern sind nicht allein
Frühcheneltern stürzen meist völlig unvorbereitet in ihre neue Rolle. Da gibt es plötzlich viel zu früh einen kleinen neuen Menschen in ihrer Mitte, der oftmals noch mit unzähligen gesundheitlichen Problemen und Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen hat. Statt kuscheliger, unbeschwerter Stunden des ersten Kennenlernens findet man sich in einem Alptraum aus unbekannten Maschinen, Geräuschen und oft begrenzten Besuchszeiten wieder. Diese emotionale Ausnahmesituation kann zur Belastungsprobe für die ganze Familie werden.
Hinzu kommen Berührungsängste mit dem zarten, kleinen Wesen, das viel zerbrechlicher aussieht, als es ist, aber mit einem pausbäckigen Neugeborenen von 40 Schwangerschaftswochen nichts gemeinsam hat. Väter versuchen oftmals das Erlebte zu verdrängen und im Alltag und in ihrem Beruf zu funktionieren. Geschwisterkinder fühlen sich schnell zurückgesetzt, da die Eltern jetzt sehr viel Zeit in der Klinik verbringen.
In dieser Extremsituation kann der Austausch mit anderen Betroffenen in einer Elternselbsthilfegruppe weiterhelfen. Der Kleine Löwen e. V. beispielsweise ist eine Elterninitiative von Frühgeborenen in Göttingen und Umgebung. Monatliche Elterntreffen bieten die Möglichkeit, sich in Ruhe über die Kinder sowie die eigenen Erfahrungen und Sorgen auszutauschen.
Selbsthilfegruppen und Einrichtungen, die sich mit diesem Thema befassen und Eltern Hilfe und Unterstützung bieten, gibt es mittlerweile in vielen Regionen. Auch Hebammen und Geburtskliniken halten wertvolle Adressen parat. Wichtig ist es, sich nicht allein zu fühlen und vor allem keine Schuldgefühle zu entwickeln.
Hilfen und Therapien
In der Regel werden die Frühchen ein bis zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin aus dem Krankenhaus entlassen. Doch die Folgen der Frühgeburt können sich auch im weiteren Lebensverlauf noch bemerkbar machen. Je eher mögliche Spätfolgen erkannt werden, desto leichter lassen sich Handicaps ganz oder zumindest teilweise ausgleichen. Daher ist es wichtig, die Entwicklung eines früh geborenen Kindes bis weit in die Schulzeit hinein genau zu beobachten.
Falls das Kind in bestimmten Bereichen Schwierigkeiten hat, empfiehlt sich der Besuch in einer spezialisierten Klinik (Perinatalzentrum) oder in einem Frühförderzentrum. Erfahrene Fachleute helfen Symptome möglicher Entwicklungsstörungen richtig zu interpretieren und entsprechend zu behandeln.